Warum wir uns unserer Werte bewusst sein müssen
Werte sind das, worüber wir am liebsten reden, wenn wir sie gerade verletzen.
In Bewerbungsprozessen, Leitbildern, Dating-Apps – überall tauchen sie auf, als Dekoration unserer moralischen Selbstinszenierung. Dabei geht es selten um Werte, meistens um Imagepflege.
Aber Werte sind keine PR-Maßnahme. Sie sind das, was bleibt, wenn man aufhört, gefallen zu wollen.
Sich seiner Werte bewusst zu sein, ist keine spirituelle Spielerei, sondern ein Akt der Selbstverteidigung. In einer Welt, in der alles schneller, lauter, optimierter wird, geben Werte Struktur. Nicht, weil sie Antworten liefern, sondern weil sie den Raum markieren, in dem wir überhaupt denken dürfen.
Werte sind Grenzen und genau deshalb sind sie Freiheit.
Wer sie kennt, kann entscheiden. Wer sie nicht kennt, reagiert.
Und wer gar keine hat, lässt sich von der Logik anderer leiten vom Markt, vom Algorithmus, von der nächsten Angst.
Philosophisch betrachtet sind Werte nichts Statisches. Sie sind lebendige Aushandlungen zwischen Innen und Außen, zwischen Ich und Gesellschaft. Aber sie brauchen Bewusstsein.
Denn ohne Bewusstsein wird jeder Wert zur Phrase, jedes Ideal zur Pose.
Vielleicht ist das der Grund, warum so viele Menschen gerade müde sind:
Wir leben in einer Zeit der Haltung, aber nicht der Werte. Wir performen Prinzipien, statt sie zu leben.
Sich seiner Werte bewusst zu werden heißt, wieder eine eigene Grammatik zu entwickeln.
Zu wissen, was für mich richtig ist, auch wenn es nicht belohnt wird.
Und vielleicht ist genau das die radikalste Form von Selbstachtung, die es in dieser Zeit geben kann.